– Inspiration & Wegweiser für eine neue Gesellschaft –
„Wenn ich das Licht der Welt erblicke, dann bin ich vollkommen und vor mir liegt eine Welt voller Wunder.
Ich öffne meine Augen und vertraue, dass es gut und richtig ist so.
Ich zweifle nicht. Ich staune und bin neugierig.
Ich trage meine Ganzheit wie einen Schatz in mir und öffne mich Schritt für Schritt der Welt.
Ich sehe meine Eltern und fühle Geborgenheit und Schutz.
Ich fühle mich sicher und gehalten. In der Welt und in mir.
Doch eines Tages ist es anders. Ich fühle, dass ich haltlos werde, frage mich wer ich bin und wo die anderen sind?
Warum erkennen sie mich nicht?
Warum runzeln sie die Stirn wenn sie mich sehen oder wenn ich spreche?
Was ist mit mir?
Wenn ich sie frage was los ist, verstehen sie die Frage nicht.
Wer bin ich? Bin ich falsch?
Ab wann kehrt Bewusstsein und Bewusstheit in unser Leben? Ab wann kehrt die Unsicherheit und der Zweifel an unserem Wert in unser Leben? Ich kann mich nicht erinnern.“
All die Menschen, die ich in meinem Leben bisher begleitet habe, dachten, sie sind nicht richtig, nicht vollkommen. Dabei waren sie es, die durch ihre Fragen, ihr „Anders sein“, ihre Bewusstheit, ihr „Sich auf den Weg Machen“ Licht in das Dunkel der anderen gebracht haben.
Doch wer will so viel Licht in seinem Leben haben? So viel ehrlichen Spiegel, so viel Wahrhaftigkeit?
Kinder und Jugendliche mit dieser großen Wachheit werden als „gestört“ bezeichnet, weil sie auf die „Störung“ im System aufmerksam machen. Dieser Zusammenhang ist vielen nur nicht bewusst. Der Fokus liegt auf den Kindern. Sie sollen sich ändern, angepasst werden ans System, das schon lange nicht mehr trägt. Diese Kinder tragen den Mut für radikale Veränderung in sich, den wir Erwachsenen oft nicht haben oder den wir uns mühselig in unser Leben zurück geholt haben.
Keiner erkennt, dass es so herum ist und nicht anders. Wer sagt den Kindern, dass sie Recht haben? Wer sagt danke für ihre Ehrlichkeit?
Wie fühlt es sich an, wenn einen keiner erkennt in seinem Wesen und wenn keiner der Menschen, die man liebt, hinsehen will? Irgendwann glauben diese Kinder selbst, dass mit ihnen irgendwas nicht richtig sein kann und geben sich ihrer Ohnmacht hin.
Jeder Mensch ist mit einem neurobiologischen System ausgestattet, das Sicherheit und das Gefühl von Kongruenz und Ausgeglichenheit produzieren kann. Hierfür benötigt der Mensch jedoch die Erfahrung von Sicherheitserleben im Kontakt. Den Abgleich im Wir für seine gesunde Entwicklung.
Diese Kinder und Jugendlichen, von denen ich schreibe, unternehmen permanent den Versuch, sich zu regulieren- und es wird nicht zugelassen und nicht erkannt. Die Störung durch das Kind wird nicht als deren Lösungsversuch erkannt- mit komplexen Folgen für die Schule, das Elternhaus sowie auch die Kinder- und Jugendhilfe sowie allen Systemen, die dann mit diesem von mir gezeichneten Bild zusammen hängen.
Durch das „Nicht Hinsehen Wollen“ produzieren wir vermeintliche Krankheiten und Diagnosen und das gesamte System spielt mit.
Wie viele Kinder landen noch in der Psychiatrie, in klinischen Zusammenhängen, verweigern noch die Schule, nehmen den elterlichen Haushalt auseinander bis das dahinter liegende Thema sich zeigen darf? Wann sind wir endlich soweit? Bereit, in den Spiegel, den wir von den Kindern und Jugendlichen der „neuen Zeit“ vorgehalten bekommen, zu schauen? Wenn wir es zulassen, können wir einen Funken dessen erahnen, wo es hin gehen wird.
Das alte System greift schon lange nicht mehr. Die Kinder und Jugendlichen haben es längst erkannt und spielen das Spiel nicht mehr mit.
Das Grundbedürfnis eines jeden Menschen ist es, Sicherheit und Homöasthase in sich zu erfahren. Dies ist neurobiologisch und auf der Grundlage der Polyvagaltheorie einfach und kausal erklärbar und im Menschen evolutionär tief verankert.
Die Kinder und Jugendlichen sowie deren Familien zeigen die Auswirkungen eines nicht mehr regulierenden Nervensystems auf. Es geht also darum, sich diese grundlegenden Zusammenhänge zu erschließen, damit die Menschen passgenaue und individuelle Unterstützungs- und Veränderungsangebote erhalten können, die sich nachhaltig auf die Verbesserung der Lebensqualität des Menschen auswirken.
Wenn wir dies erkannt haben- und zum Glück öffnet sich die Gesellschaft und Fachwelt diesen Zusammenhängen langsam, werden neue Perspektiven und Lebenswelten in Therapie, Pädagogik und Medizin sowie in der Alltags- und Lebensgestaltung der Menschen möglich.
Die Entwicklung und Schulung des eigenen Bewusstseins wird hierbei zunehmend eine Rolle spielen. Andere Länder machen es uns bereits vor.
Es wird möglich, an der Basis anzusetzen. Den Menschen wieder in seinem ureigensten Potential abzuholen und zu stärken, statt ihn in eine Hutschachtel pressen zu wollen. Jede Veränderung, auch die in der professionellen Begleitung beginnt mit dem eigenen Bewusstsein, der inneren bewussten Haltung im Kontakt.
Somit werden in der Begleitung von Menschen nicht mehr nur „Pflaster geklebt“ sondern Menschen in ihre Eigenverantwortung zurück geführt, Prozesse und Phänomene werden nachhaltig betrachtet.
Das Gefühl der Ohnmacht darf zunächst benannt werden und es kann sich verwandeln in das Gefühl von Selbstermächtigung, Selbstwirksamkeit. Der Mensch hat die Möglichkeit, in seine ureigenste Größe zu wachsen und in dieser anerkannt zu werden. Trauen wir uns, in (unseren) Kindern unsere Lehrer zu erkennen, lernen wir viel über uns selbst und unsere blinden Flecken, unsere eigenen Schmerzpunkte, die geheilt werden wollen. Hierarchien lösen sich auf, die vorher Ohnmacht und Machtmissbrauch erzeugt haben.
Und ich lade auch aus tiefer eigener Erfahrung der letzten Berufsjahre, als ich noch leitend in einem Kinder- und Jugendhilfeträger tätig war, alle Fachkräfte der Pädagogik, therapeutischen Zusammenhänge sowie Lehrer an Schulen- alle Menschen ein, Menschen in ihren Gaben zu bestärken, sie in ihrer von Natur aus angelegten Intuition zu ermutigen und ihnen Eigenverantwortung zuzutrauen. Lassen wir uns gegenseitig berühren und inspirieren.
Es geht nicht mehr vordergründig um die Anwendung und Vermittlung von Methodenkompetenz, sondern wir machen Ergebnisse daran fest (wenn wir überhaupt von Ergebnissen sprechen können und sollten; Entwicklung ist fortlaufend), ob Menschen zu sich selbst zurück geführt wurden, in ihre Ursprünglichkeit. Sich wieder trauen, sie selbst zu sein. Wenn ein Jugendlicher selbstbewusst und reflektiert, neugierig auf die Welt, seinen eigenen Weg geht.
So entstehen Momente, in denen wir uns wieder berührt fühlen, uns als Menschen begegnen und Wachstum auf Augenhöhe stattfinden kann.
Für mich bedeutet Professionalität mittlerweile zu aller erst, aus meiner eigenen Präsenz heraus Haltung zu zeigen- das setzt eine fortwährende Bewusstseinsentwicklung voraus.
Ich sehe mich selbst als eine Lernende.
Wenn ich in einer Begegnung Gänsehaut spüre, diese Schauer in meinem Körper fühle, spüre ich den tiefen Sinn in meinem Tun.
Lass auch Du Dich wieder berühren. Von Dir, Deinen Mitmenschen, der Welt.
Menschen können nur an unserer Seite wachsen, wenn wir für sie eine Inspiration sind.
Deine Adelheid